Camilla Spira, Max Ehrlich, Franz Engel u.a. 1943 in einer Revue des Lagers Westerbork (NL)
Photo: Rudolf Breslauer (gemeinfrei)

Kabarett im KZ


Mit diesem Vortrag in der Reihe seiner Grammophonlesungen schlägt Jo van Nelsen ein weitgehend tabuisiertes Kapitel der deutschen Kabarett- und Zeitgeschichte auf: KABARETT IM KZ.

Ob in Esterwegen, Westerbork oder Theresienstadt – viele der inhaftieren Unterhaltungsstars der Weimarer Republik traten auch hier auf – manchmal heimlich, manchmal auf Befehl.

Dieses Stück fast vergessener, weil problematischer Kulturgeschichte lässt der Frankfurter Musikkabarettist und Kabaretthistoriker Jo van Nelsen in diesem Abend wieder sichtbar werden. Er wird in seinem kenntnisreichen Vortrag von den Schicksalen vieler inhaftierter Künstler (wie Isa Vermehren, Willy Rosen, Paul O´Montis, Kurt Gerron, u.a.) erzählen, ihre Texte lesen, ihre Lieder singen und von Schellackplatten spielen. Seltenes Bild- und Filmmaterial machen auch diese Grammophonlesung wieder zu einer spannenden Zeitreise und einem multimedialen Erlebnis.

Ein weiterer Abend gegen das Vergessen und für das Erinnern an die, die Unterhaltung zu ihrem Lebensinhalt machten, auch hinter Stacheldraht. Und die erleben mussten, dass der gelbe Stern oder der rosa Winkel an ihrer Brust schwerer wog – auch nach dem Kriege.

Und doch ist es auch ein Abend, an dem es viel zu Lachen gibt – denn die vorgestellten Autoren und Interpreten waren einfach Meister ihres Fachs!

Der Vortrag entstand für das beliebte Festival „Frankfurt liest ein Buch 2018“, dass Anna Seghers Roman „Das siebte Kreuz“ zum Mittelpunkt hatte.

Für VeranstalterInnen: Diese Lesung kann auch in einer auf 75 Minuten gekürzten Fassung gespielt werden.

Mit den Grammophon-Lesungen präsentiert Jo van Nelsen ein ganz neues Format auf deutschen Bühnen. Längst vergessene Texte und Sujets werden dem Vergessen entrissen; der Soundtrack dazu kommt direkt vom Grammophon – originaler geht’s nicht!

Was Weihnachten 1979 mit einem braunen Koffergrammophon und 5 Schellackplatten begann, ist im Laufe der Jahre zu einer beachtlichen Sammlung angewachsen. Damit diese Schätze nicht im Privaten verborgen bleiben, sondern einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden, entwickelte Jo diese neue Reihe.
Ob markige Märsche des Ersten Weltkrieges, säuselnde Salonmusik oder schmalzige Weihnachtsmelodramen – dem Knistern der Schellackplatten und dem ungewohnten Klang eines Grammophons kann sich kein Zuhörer entziehen: „Es ist, als ob die Zeit im Trichter stecken geblieben wäre, und man hineingesogen würde. Faszinierend!“ (Gästebucheintrag einer Besucherin der „Ginster“-Lesung, Frankfurt, 2013).

Wie schon in seinen Lesungen der letzten Jahre erweist sich Jo auch hier wieder als perfekter Interpret, der Texte mühelos lebendig werden lässt. Die Bandbreite reicht von propagandistischen Weihnachtsgedichten (in „Lametta, Gans und Siegerkranz“) über Meilensteine der Neuen Sachlichkeit („Käsebier erobert den Kurfürstendamm“, „Kleiner Mann, was nun?“, „Ginster“) bis zum satirischen Varieté-Roman („Die Schlangendame“, 1896). Weitere Lesungen sind in Planung.

Die Verschränkung von Text und Musik, nebeneinander und übereinander, meist ergänzt durch zeitgenössische Bilder und Illustrationen, präsentiert sich als multimediales Ereignis fern jedes trockenen Geschichtsunterrichts oder einseitiger Nostalgieverklärung. Im Mittelpunkt der Grammophon-Lesungen steht der Spaß am Entdecken des Vergangenen, das staunende Kopfschütteln über Kurioses, das Gruseln über Gewesenes.

hr2-kultur sendet in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler alle Grammophonlesungen, von denen einige auch auf CD veröffentlicht sind:
„Lametta, Gans und Siegerkranz“ – Ein skurriler deutscher Weihnachtsabend
„Die Schlangendame“ – Ein satirischer Roman aus dem Jahre 1896 von Otto Julius Bierbaum zum Wiederentdecken, Staunen und Schmunzeln


Es gab nur einen einzigen Ort, an dem der Abend mit dem brillanten Jo van Nelsen stattfinden konnte – in die ehemaligen Synagoge. Hier, wo das Andenken an jüdische Mitbürger noch immer schwingt, wo sich zugleich automatisch das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte in die Köpfe schleicht; hier, genau hier, präsentierte Jo van Nelsen einen Abend, in dem Witz und Grauen sich so nah waren, wie sonst nur selten. Und er las und sang und zitierte in einer Art, wie es nur ein unglaublich begnadeter Unterhalter kann.

Unaufgeregt klang van Nelsens Stimme, wenn er die an die Wand der Synagoge geworfenen Bilder der Menschen betrachtete, wenn er das System der Nazis erklärte und Geschichte umriss. Sie blieb es auch, als er von den Anfeindungen gegen Homosexuelle sprach, die in Haft und Konzentrationslager schlimmste Gewalt erfuhren.

„Ich glaube, es gibt viel zu verdauen“, sagte Jo van Nelsen zum Ende des Abends. Gab es in der Tat. Weil van Nelsen seine Lesung extrem fein und mit immensem Sinn für die Wirkung des Moments orchestriert hatte. Pathos oder Mitleid? Fehlanzeige. Stattdessen Schmerz und Wut. Schmerz über das Leid. Wut über die Perfidie, mit der die Nazis zu Werke gingen, und auf die van Nelsen immer wieder verwies.
Und zugleich war da Bewunderung. Bewunderung für einen, der ein Kapitel aufschlug, über das zu wenig im Bewusstsein ist. Einer, der es verstand, ein schweres Thema mit Leichtigkeit zu servieren; und dabei zugleich eine Stille hinterließ, in der Gesehenes wie Gehörtes nachhallte. Eine Stille, die man mit Applaus kaum zu unterbrechen bereit war – so gerne man es mit Blick auf die bravouröse Abendkomposition Jo van Nelsens wollte.

(Christina Schäfer, Hemsbacher Woche, 18.10.2024)

Es war ein Abend, an dem man hin- und hergerissen war – zwischen Lachen und Entsetzsein, zwischen Schmunzeln und Traurigsein. Es war eine perfekte und gewollte Gratwanderung zwischen wunderbarer Unterhaltung und lehrrreicher Geschichtsstunde, die einen am Ende sehr nachdenklich nach Hause entließ.
(Astrid Wagner, Weinheimer Nachrichten, 17.10.2024)

Kabarett im KZ – ein widersprüchliches, tragisches Thema, um das man eher einen Bogen macht. Nicht so Jo van Nelsen. Grossartig und souverain bringt er uns die Schicksale der Kabarettisten, Musiker, Schauspieler nahe, die Opfer der Nazis wurden.Und doch ihren Leidensgenossen mit ihrem Können und ihrer Kunst in verzweifelten Lebenssituationen ein bisschen Freude schenken konnten. Ein aufregender und berührender Abend.
(Edith Marcello, Vorstand Initiative 9.November e.V.., Frankfurt, 25.4.2018)

Das Publikum hörte gebannt zu, wenn die Originale auf dem Grammophon abgespielt wurden. Darüber hinaus sang Jo van Nelsen selbst einige Schlager und las Gedichte vor. Dazu zeigte er auch seltenes Bildmaterial. Erschütternd war die Einspielung eines Films über Auftritte im KZ Westerbork. Die Häftlinge mussten gute Laune vorspielen, obwohl jeder daran dachte, dass er oder sie am nächsten Tag zur Ermordung abgeholt wurde.
Ein Abend mit Jo van Nelsen mit seiner herausragenden Grammophonlesung bleibt unvergessen. Er vermittelt sein Wissen hervorragend, singt Chansons und Schlager, liest aus Romanen mit Bezug zum Kabarett, rezitiert Gedichte und schenkt seinem Publikum auch noch Anekdoten. Einen solchen Abend kann man so schnell nicht vergessen.

(Lothar Ruske, Organisator von Frankfurt liest ein Buch e.V., Frankfurt, 24.4.2018)

Kabarett im KZ – Die nächsten Live-Termine:

Januar 2025

2025di28jan20:00Kabarett im KZ - GrammophonlesungEutin

Februar 2025

2025sa01feb19:00Kabarett im KZ - GrammophonlesungViernheim

März 2025

2025fr21mar20:00Kabarett im KZ - GrammophonlesungBüttelborn

2025fr28mar20:00Kabarett im KZ - GrammophonlesungAbstatt

November 2025

2025so16nov17:00Kabarett im KZ - GrammophonlesungOberursel